Toll

Sprache in der Werbung funktioniert ganz einfach. Über ein Waschmittel, das ganz toll ist, wird auf gar keinen Fall behauptet, es sei ein tolles Waschmittel. Dieses Adjektiv gilt es strikt zu vermeiden. Auch das entsprechende Adverb ist grundsätzlich verboten. Ein noch so tolles Waschmittel wäscht also niemals toll, einfach so. Auf die Art funktioniert es nicht. Das wird durchschaut, auf den ersten Blick. Das langweilt.

Statt dessen werden tolle Geschichten erfunden, am besten mit tollen Figuren. Klementine etwa, die wohl nachhaltigste deutsche Waschmittelwerbeikone. Klementine ist um das Produkt herumgeschrieben, alle Aussagen darüber kommen aus ihrem Mund. Das Wort „toll“ sagt sie dabei nicht, wenn ich mich recht erinnere. Und wenn doch, ist das auch egal. Es fällt nicht weiter auf. Was gemeint ist, wird dennoch nicht konkret ausgesprochen. Dabei steht es glasklar im Raum. Und das nur, weil die Figur so toll ist.

Beim Schreiben ist es im Grunde dasselbe. Was gemeint ist, wird nicht konkret gesagt. So gut wie niemals. Das Zentrum bleibt leer und wird lediglich umschrieben. Oder noch besser: Der Kern einer Geschichte wird dargestellt, auf erzählerische Art vermittelt. Nur so wird es interessant. Artiges Aufsagen oder gar nahtloses Aufzählen von Fakten ist dabei wenig hilfreich. Sprache ist ein unscharfes Instrument, sie kann und muß interpretiert werden. Auslassungen und Leerstellen bieten dafür Anlaß. Nahezu unverzichtbar sind außerdem gute Figuren. Je differenzierter, desto besser. Ohne das alles wird es schwierig. Und langweilig vor allem.

Allerdings sind Figuren nicht gerade leicht zu erfinden. Wenn sie schlecht sind, bleiben sie leer und klingen zwangsläufig hohl. Dann ist mit ihnen kaum etwas anzufangen. Wenn sie gut sind, machen sie sich innerhalb kürzester Zeit selbständig. Und das war es dann mit dem „Kern einer Geschichte“ und seiner Vermittlung. Dann vermittelt sich mitunter etwas, von dem man selbst noch nie gehört hat.

Ein eigenartiges Geschehen, das ist wohl wahr. Gut so!

Zum Thema Werbung bleibt noch zu sagen: Man kann das Waschmittel auch einfach TOLL nennen, das stimmt. „Reinweichen mit TOLL“, würde Klementine dann sagen. Und über die verbesserte Version, gut ein Jahr später, hieße es dann: „SUPERTOLL wäscht porentief“. So geht es natürlich auch.

Aber nur in der Werbung. Beim Schreiben funktioniert das eher selten. Selbst eine Figurennamensgebung auf dem Niveau erweist sich in allzu vielen Fällen als untauglich, um nicht zu sagen total lächerlich. Außer bei Daniel Düsentrieb vielleicht.

10 Gedanken zu „Toll“

  1. „Das Zentrum bleibt leer und wird lediglich umschrieben. Oder noch besser: Der Kern einer Geschichte wird dargestellt, auf erzählerische Art vermittelt. Nur so wird es interessant.“ sagst du.

    Hm!

    Das ist das Spiel mit der Scham, so sehe ich es. Das Gewünschte in Distanz zu halten, damit es nicht – qua Nähe – sich zerstört. Der Wunsch bleibt erhalten, auch wenn er erfüllt wird. Der ersehnte Kuchen, der nicht satt macht. Der herbei phantasierte Schluck Wasser, der den Durst nicht still.

    Das ist Realität auf dem Sofa, vorm Schreibtisch, abends in der Kneipe, bei der Lesung, im Druck und im Blog..

    Aber, sicher, du hast Recht, es funktionierte lange Zeit. Auch noch demnächst?

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  2. Ehrlich gesagt, kann ich Dir nicht ganz folgen.

    In meinem Beitrag schreibe ich über das Handwerk des Schreibens, über Worte und Grammatik, über erzählerische und stilistische Mittel. Und da es ein eindeutiges Wort nicht gibt, kann also – rein handwerklich betrachtet – der Kern nie gesagt werden. Anders ausgedrückt: Ich schreibe das Wort „Haus“, und jeder wird etwas anderes vor sich sehen. Ich benutze das Wort „toll“ und drücke damit zunächst einmal rein gar nichts aus. Nur der Rahmen bringt es, die Form, die Konstruktion. Vielleicht. Rein handwerklich betrachtet, versteht sich.

    Ich vermute, Du redest von etwas ganz anderem. Du meinst die Person, den Menschen, die Wahrheit und die Wirklichkeit. Stimmt’s?

    Ja, das gibt es auch. Natürlich gibt es das. Und damit will umgegangen sein, was gar nicht so einfach ist. Denn es steht mitunter konträr zum Handwerk. Meiner Erfahrung nach. Aber davon ist in diesem Beitrag zunächst einmal nicht die Rede.

    Vielleicht habe ich Dich aber auch falsch verstanden.

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  3. „Und da es ein eindeutiges Wort nicht gibt, kann also – rein handwerklich betrachtet – der Kern nie gesagt werden. Anders ausgedrückt: Anders ausgedrückt: Ich schreibe das Wort ‚Haus‘, und jeder wird etwas anderes vor sich sehen.“ schreibst du.

    Aber das Hören/Lesen ist ein Vorgang eines Menschen. Die Ambiguität müßte dann bereits in diesem Menschen angelegt sein, die zwischen verschiedenen Menschen spielt beim Verstehen eines Wortes zunächst wenig mit. Wenn, wie du schreibst, jeder etwas vor sich sieht, kann einer durchaus auch etwas Eindeutiges vor sich sehen.

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  4. Ein Mensch kann ein eindeutiges Bild haben, das stimmt. In den meisten Fällen wird es aber nicht so sein, denn Wahrnehmung wie auch Phantasie sind und bleiben hoffentlich immer vielfältig und mehrdeutig.

    Alle, die schreiben, sollten besser um diese Ambiguität wissen, um damit aktiv umgehen zu können. Denn das müssen sie, zwangsläufig.

    Lesende haben es da möglicherweise ein klein wenig leichter. ;-)

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  5. Über die Mehrdeutigkeit der Sprache sollte heute nicht mehr zu streiten sein, sicherlich.

    Spannend für mich ist aber vielmehr, woher denn die Mehrdeutigkeit in mir stammt. Die der Hörenden spielt für mich keine Rolle, ich kenne sie ja nicht oder nur in Ausnahmefällen. Ich könnte sie nur, wenn ich vorauseilend sie meiner Sprache einbauen wollte, durch meine eigene Mehrdeutigkeit ersetzen. Was mich auf die anfängliche Frage zurück wirft.

    Wenn ich mir ein Wort nehme, hat es für mich ein sich durch alle seine Verschiedenheiten hindurch Ziehendes, ein Identisches, das mir seine Bedeutung ist. Die damit zugleich unendlich – alle möglichen, empirisch vorfindlichen Häuser, um dein Beispiel weiter zu reiten – und eindeutig – das Haus – ist. So, denke ich, sind Begriffe in mir. Verwende ich das Wort ‚Haus‘, dann kann ich seiner Mehrdeutigkeit durch das, was ich nebenher sage, gerecht werden. Weil sein Verwenden – ein vergeblicher, na klar – Versuch ist, mich dem Eindeutigen zu nähern. Oder, aufwendiger gesagt: ich kann den Gehalt eines Begriffes niemals zur Gänze ausschöpfen.

    Du sprachst aber in deinem Text vom Kern einer Geschichte, also von etwas, das mit Worten umschrieben wird. Nun können (mehrdeutige) Worte durchaus versuchen, einen Sachverhalt eindeutig zu benennen. Beispiel für mich sind etwa mathematische Sätze. Die Mehrdeutigkeit des Wortes ist vielleicht nicht zwangsläufig auch die Mehrdeutigkeit des Satzes. Und da, so denke ich, kommt so etwas wie Scham ins Spiel, oder Ressentiment, oder Zurückhaltung. Womöglich, weil ein eindeutiger Satz dem Adressaten keine Wahl ließe. Oder weil wir des Satzes selbst nicht sicher sind und uns ein Schlupfloch lassen wollen. Also mehr oder weniger, weil wir das sprachliche Konstrukt lebendig halten und nicht verschlingen und damit töten wollen.

    Mag sein, ein krauser Gedanke, aber ich hoffe, er ist zumindest jetzt klarer.

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  6. Ja, es wird klarer. Ich kenne diesen Reigen. Die Qual der Entscheidung aufgrund von nicht genügenden Informationen. Und die Folgen, die daraufhin getragen werden müssen, mitunter durch den ganzen Text. So ist das beim Schreiben.

    Oder anders gesagt: Der möglicherweise eindeutige Satz, der aus durchaus mehrdeutigen Worten zusammengesetzt ist, wirkt im Umfeld des Gesamttextes meistens gar nicht mehr so eindeutig. Dafür aber plötzlich das einzelne Wort.

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  7. Ich muss dir recht geben, die Kunst in der Werbung ist es alles so einfach wie möglich zu gestalten, aber genau darin liegt meiner Meinung nach die Schwierigkeit.
    Alle Menschen sind verschieden und alle unter einen Hut zu bekommen nicht leicht.

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