Aus aktuellem Anlaß denke ich über autobiographisches Schreiben nach. Das Schreiben über das eigene Leben also, das eigene Leben aufschreiben. Vielleicht nicht alles, aber doch die eine oder andere Geschichte. Die Brennpunkte, Schmelztiegel benennen, die es in jedem Leben gibt. Ist das wichtig? Hat das eine Bedeutung? Ist das Literatur? Ist es das wert?
Man hört das ja oft, wenn bekannt wird, daß man selber schreibt. Dieser eine Satz, der fast unweigerlich von jedem kommt, der überhaupt etwas dazu sagt, das nicht grundsätzliches Unverständnis ausdrückt: Ich könnte ganze Bücher schreiben, soviel hab ich erlebt.
Mach doch, denke oder sage ich dann immer. Wenn du kannst.
Ganz so einfach ist es mit dem Schreiben schließlich auch wieder nicht, soviel steht fest. Spätestens in dem Moment, in dem man es versucht. Schon gar nicht mit dem Aufschreiben von echtem, wahren Leben. Was immer das auch sein mag. Ich glaube ja nicht wirklich an die Wahrheit, das hatte ich schon einmal ausgeführt. Ich bestehe auf Fiktion. Gerade deshalb ist das Autobiographische wirklich harte Arbeit, vielleicht die härteste überhaupt. Das Erinnern und Beleben von Vergangenem. Das Auswählen, Sortieren und Beschreiben, letztendlich. Oder – schlimmer noch – das direkte Umsetzen des aktuell Erlebten, wie es beim Bloggen allzu oft vorausgesetzt wird.
Ich glaube einfach nicht daran, zumindest nicht beim Bloggen. Das mag natürlich vor allem in mir selbst begründet sein, ganz sicher ist es das. Andere empfinden das Schreiben an der eigenen Biographie als Befreiung, als Erleichterung oder Bewältigung sogar. Nicht zuletzt werden Biographien gerne gelesen, auch von mir übrigens. Ich lese sie allerdings als eine Art Fiktion. Logisch, so bin ich eben.
Dennoch schöpfe auch ich immer wieder, nahezu ausschließlich sogar, aus dem eigenen Fundus. Woraus denn auch sonst? Mein Ich ist mein Wahrnehmungs- und Verarbeitungsorgan. Das sei an dieser Stelle unumwunden zugegeben, und das ist auch kein Widerspruch. Das geht einfach nicht anders, deshalb gehört es zusammen. Wahrheit und Fiktion, das ist dasselbe. Für mich zumindest, so verrückt das auch klingen mag.
Es ist so, und deshalb verrate ich den aktuellen Anlaß nicht, weshalb ich mich derzeit mit diesem ausweglosen Thema beschäftige, wieder einmal. Ich erzähle auch nicht, warum alle meine Hosen rutschen, derzeit, und ich den Gürtel nicht nur enger schnallen, sondern demnächst wohl zusätzlich noch die Lochzange suchen und in Einsatz bringen muß.
Das alles wird Text, irgendwann. Ich bleibe am Ball, ganz sicher. Aber so einfach mache ich es mir eben doch nicht. Niemals.
Ich weiß, ich bin verrückt.
Zurechtgerückt, hoffe ich.
Je älter ich werde, desto mehr wünschte ich mir, ich hätte mich öfters und länger an das Autobiographische Schreiben getraut. Denn langsam verblassen die Erinnerungen. Die ich nicht mit meinen Schwestern regelmäßig wieder auffrische. Aber das ist ja nur ein Bruchteil. Da sind noch die vielen anderen Bilder und Geschichten und sie sind im Moment sehr am Verblassen.
Ich lese sehr gerne Autobiographien, Briefe und Tagebücher und bin mir bewußt, dass meine alten Erinnerungen auch Fiktionen sind, genauso wie du es schreibst.
Vielleicht ist es ein Prozeß, oder vielleicht ist es nur eine Hürde, über die man steigen muss. Jedenfalls ist es eine Herausforderung. Nicht nur für Verrückte.
Wo bist du den hingerückt?