Wie viele habe ich das Schreiben vor Jahren mit Lyrik begonnen. Oder mit dem, was ich als Dreizehnjährige dafür hielt. Schlecht war das nicht, wenn auch nicht wirklich gut. Das Reimen zumindest habe ich mir schnell abgewöhnt. (Obwohl ich es kann, durchaus.) Das war wohl der entscheidende Schritt. Danach wurde es tiefer. Und dichter. Fast von allein.
Inzwischen aber, das muß ich bekennen, werde ich immer mehr zur Erzählerin. Die Lyrik fliegt mir nur selten noch dazwischen. Damit liebe ich, was mich als Kind schon in seinen Bann gezogen hat. Die Geschichten, in die man abtauchen kann. In denen man sich verliert, über Stunden. Sinnvolle Figuren, die – beinah – in Fleisch und Blut daherkommen. Oder sogar Hirn und Verstand mitbringen, falls erforderlich. Handlungen, die auch jenseits der Struktur tragfähig bleiben. Im Nachsinnen und Weiterträumen.
Das ist altmodisch, ich weiß. Es gibt so viele schöne neue Möglichkeiten zu schreiben, experimentelle Formalien und sprachliche Marotten sind schwer angesagt. Immer wieder, immer noch. Das Internet fügt seinen Teil hinzu und bricht eine „Regel“ nach der anderen auf. Das Lineare vor allem verschwindet mehr und mehr, dadurch werden verflochtene Netz- und Denkstrukturen in Texten immer machbarer. Allerdings nicht unbedingt lesbarer, leider. Dennoch ist das eine entscheidende Entwicklung, durchaus auch in Hinsicht auf das Erzählen der eher „altmodischen“ Art.
Denken ist eng mit dem Lügen verbunden, von dem ich neulich sprach. Es ist absolut notwendig, um die Brücken schlagen zu können, die erforderlich sind, damit eine Geschichte standhaft bleibt. Nur gut durchdachte Texte stehen fest und sicher. Was allerdings nicht heißt, daß das Fundament in Beton gegossen werden muß. Oder gar sollte. Filigrane Trägerstrukturen sind nicht nur zeitgemäß, sondern funktionieren auch wesentlich besser. Gerade die Grundstruktur verträgt große Löcher, in denen man verschwinden, in die man sich hineindenken kann. Auf die Art werden auch die „kleinen“ Geschichten spannend, die alltäglichen Blogplaudereien zum Beispiel. Verschweigen ist angesagt, andeuten nur und gleich wieder abbrechen. Plötzlich abbiegen in eine unerwartete Richtung, verleugnen und verwirren. Sich (scheinbar) widersprechen. Das alles ist erlaubt und erwünscht. Das sind aktuelle Stilmittel, wichtiger als etwa die verstärkende Wiederholung oder lange deskriptive Passagen.
Derart große Löcher, Haken und Ösen in das Fundament einer Geschichte zu schlagen, sollte jedoch nicht auf die leichte Schulter genommen werden. Das ist schwere Arbeit, vergleichbar mit dem freien Schweben im All. Lügen ist kein Herumträumen ohne Zusammenhang. Auch fiktive Welten wollen solide erschaffen, wollen de facto lebensfähig sein. Das tragende Gerüst muß also gut durchdacht und stabil gebaut werden, unter Berücksichtigung aller Wenns und Abers. Denn keinesfalls sollte man in der Hinsicht seine Leser unterschätzen. Die meisten „Fehler“ auf diesem Gebiet werden mit Leichtigkeit entlarvt. Auch Dinge, die im Grunde gar keine Fehler sind, werden immer wieder gern zur Diskussion gestellt. Dagegen muß man natürlich die richtigen Argumente parat haben. Insbesondere in Blogs, in denen ja zumeist kommentiert werden kann.
Schreiben ist also Denken, beim Schreiber wie beim Leser. Das vor allem.
In puncto Lügen fand ich den Hinweis auf das „Verschweigen“ sehr interessant. „Dazudichten“ist sicherlich eine ganz naheliegende Methode die – meiner Meinung nach – auch oft automatisch und unreflektiert vonstatten gehen. Das Verschweigen klingt eher nach einem bewussten/aktiven Prozess. Sehr interessant!