Bloggen ist kein Drama

Über den Sinn  und Zweck von Plots oder Plot Points oder darüber, was das überhaupt sein soll, streite ich nicht. Beim Schreiben geht es um Geschichten oder um Handlung vielleicht, im weitesten Sinn. Und darum, wie man das Ganze mit Hilfe von nichts anderem als ein bißchen Sprache transportiert. Wie man es gestaltet.

Nun sind Blogs ja Tagebücher, auch wenn es inzwischen viele differenzierende Ansätze gibt. Kernmerkmal ist und bleibt der Hang zur Tagesaktualität. Kaum jemand interessiert sich demzufolge für den Beitrag von gestern. Absolut niemand liest jemals ganze Blogs durch. (Nun ja, ich kenne schon jemanden. Ich selbst habe das auch schon gemacht, aber sehr selten.) Viel wahrscheinlicher dagegen sind Stammleser, die tagtäglich nachsehen kommen, ob es einen frischen Beitrag gibt. Oder die den Feed abonnieren, um auf keinen  Fall etwas zu verpassen.

Mit diesem vorgegebenen Zeitfluß ist Blogs eine eng gefaßte Grundstruktur unterlegt, die zunächst nahezu zwingend erscheint. Wie geht man also um mit Anfang – Mitte – Ende, immer wieder aufs Neue? Braucht es ein kleines Drama, Tag für Tag? Wo findet man nur so viele Plots?

Man kann das natürlich machen. Es ist überhaupt kein Problem, jeden einzelnen Blogbeitrag rund und vollendet zu präsentieren. Wenn man nur genug zu erzählen hat. Das dürfte dabei das weitaus größere Problem sein. Besonders Litblogs machen vor, wie das geht. Man kann es aber auch lassen, das formvollendete, das wohlgeplante und gut durchdachte. Blogs sind Tagebücher, ich sagte es schon, und damit folgen sie ganz eigenen Gesetzen. Dabei darf das Tagebuch keinesfalls unterschätzt werden. Es handelt sich ebenso um eine Kunstform, eine literarische Gattung, wie auch um ein Alltagsding mit heilender Wirkung. Welches wiederum seit 10 Jahren im Deutschen Tagebucharchiv gesammelt wird, als Geschichtsdokument quasi.

Die Grundlagen sind einfach: Das Ende liegt in der Zukunft, im Grunde gibt es also gar kein Ende. Und damit keine Ausrichtung, keinen Plot, kein Drama. Deshalb darf ein Blog durchaus einmal plätschern und dann wieder toben. Es kann sich schlagartig verdichten, von heute auf morgen auf ein einziges Thema einschießen, um gleich darauf wieder weitschweifig zu mäandern. Scheinbar ziellos. Warum nicht? Alles ist möglich. Blogs dürfen sich wiederholen und sogar widersprechen. Alles kein Problem. Eines allerdings darf nicht passieren. Blogs dürfen nicht langweilen. Alles andere ist nebensächlich.

5 Gedanken zu „Bloggen ist kein Drama“

  1. “Eines allerdings darf nicht passieren. Blogs dürfen nicht langweilen. Alles andere ist nebensächlich.”

    Damit hast du aber eine gewaltige Mine direkt vor der Hafeneinfahrt versenkt.

    Ich habe mich oft (naja, ab und an) gefragt, warum die von Frauen betriebenen Blogs mir viel lebendiger vorkamen als die manchmal lakonischeren, oft protzigeren, meistens aber nur selbstgefälligeren Blogs männlicher Betreiber. Liegt hierin die Antwort?

    Wir wollen doch um Gottes Willen niemals langweilig erscheinen, und denken es jedoch immer von uns (jedenfalls ich). Also wackeln, rennen, schillern und kreischen wir, was das Zeug hält – die ideale Mischung für ein sich anbiederndes, weil alle Kriterien übererfüllendes Blog. Wo Andere noch den letzten (Un-)Gedanken für verbreitenswert halten, spreitzen wir uns, daß es eben diesen Anderen eine Freude ist, uns lächelnd dabei zuzusehen und zuzuhören. Während sie uns unverfroren etwa pubertäre Indianerspielchen für das Nonplusultra poetologischer Reichweite und Tiefgründigkeit andienern.

    Naja, mi cresco un cazzo, also: finito – per oggi.

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  2. Mir gefallen auch Blogs von Frauen oft besser als Blogs von Männern. Ob das aber am Schillern und Kreischen liegt, wie du sagst? Ich fürchte eher nicht, denn das liegt mir so gar nicht. ;-)

    Mein Italienisch ist übrigens so gut wie nicht existent. Also, dein was ist gar nicht für heute?

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  3. Oh, scusa, ich hatte hier schon einen Kommentar als Antwort auf deine Frage geschrieben, aber der taucht leider gar nicht auf, wie ich sehe.

    Naja, ‘mi cresco un cazzo’ könnte jungendfrei als ‘mir wächst gleich ein Bart’ übersetzt werden. Ist aber nicht ganz so jugendfrei.

    Und – schreien und kreischen kann in meinen Augen auch eine sehr stille und sachliche Gestalt annehmen. Ich wollte damit auf das Bemühen anspielen, das für mich in vielen Blog von Frauen deutlicher zu Tage tritt als in manchen Blogs von Männern. Aber wenn ich jetzt etwas ruhiger nachdenke, halte ich meinen Gedanken selbst nicht mehr für allzu zwingend. Und nur weil er nun mal da steht, mag ich ihn nicht mit Schreien und Kreischen verteidigen. Betrachte ihn also einfach als das Produkt eines Anfalls mir unbegreiflicher geistiger Verwirrung! ;-)

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  4. Meine Erfahrungen was die Aktualität und der Abruf von Seiten angeht, sind etwas andere.
    Ich wundere mich immer wieder, dass bei mir noch Einträge von vor zwei Jahren abgerufen werden.
    Meistens allerdings von Usern die über eine Google Suchanfrage zu dem Thema kommen.
    Kann aber auch daran liegen, dass mein Blog ein Mischmasch Blog ist und kein reines Tagebuch.

    Es gibt auch Menschen, die sich einen Blog komplett durchlesen, was ich desöfteren an den hohen Seitenaufrufen verteilt über mehrere Tage feststellte.
    Verstehen kann ich es bei meinem Blog nicht ganz, mir würde es mit der Zahl der Einträhe ermüdend erscheinen.
    Auch ich lese manchmal einen Blog von Anfang bis Ende durch, wenn er mich interessiert.

    Insgesamt gesehen lese ich als Mann auch lieber Frauenblogs, da sie in der Regel meistens sensibler und aufrichtiger geschrieben sind, als Männerblogs.
    Bis auf Ausnahmen natürlich in beiderlei Hinsicht.
    Als Ausnahme auch Politikblogs, die von Männern meistens treffender geschrieben werden, aber auch hier bestätigen Ausnahmen die Regel.

    Wie du siehst, gibte es doch Menschen, die auch in alten Einträgen lesen, so wie diesem Eintrag hier.;-)
    Er hat im Grunde ja auch nichts von seiner Aktualität eingebüsst.

    Genausowenig wie dein Artikel über das Wachsen eines Blogs, des sich veränderns, des am Anfang noch nicht wissen, wo es hingehen soll.
    Dieses sind Dinge, die mich am bloggen immer wieder faszinieren.

    Liebe Grüsse

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