Kommentarpsychologie

Immer wieder lande ich beim Thema Kommentare, ich weiß. Was soll ich machen, das ist nun mal eines der entscheidenden Merkmale des Bloggens. Nur wegen der Kommentarmöglichkeit  bin ich irgendwann auf „richtige“ Blogsoftware umgestiegen. Einfach Text ins Netz stellen, das geht auch ohne. Aber ein Blog ohne Kommentare ist kein Blog. Meistens jedenfalls. Ausnahmen bestätigen die Regel.

Tolle Sache, das mit der Kommentarmöglichkeit in Blogs. Web 2.0 in Urform sozusagen, ein Nehmen und Geben. Und doch schwierig mitunter, eine Grundeinstellung dazu zu finden. Manch ein Kommentator versucht eben, es dem Blogger mal so richtig zu geben. Immer und immer wieder. Das kommt vor. Der Umgang mit den Kommentaren, die Kommentarpolitik also, ist dementsprechend eine Frage, die das eine oder andere leise bloggende Gemüt in eine mächtige Schieflage gebracht hat. Und die Ursache dafür sind, wie ich inzwischen begriffen habe, Gefühle.

In einem ganz anderen Zusammenhang habe ich neulich ein bißchen Theorie über Gruppendynamiken wälzen müssen.  Dazu muß ich sagen, daß ich nicht so der Gruppentyp bin. Seit jeher lebe und arbeite ich besser allein. Mit punktuellen Begegnungen höchst intensiver Natur. Das dann schon. Zu meiner Verwunderung las ich also, daß es in Gruppenprozessen oft weniger um die Sache, den Gruppengrund geht, sondern vielfach einfach nur um Beziehungen. Es geht um einen diffusen Wir-Begriff, ein grundsätzlich stabilisierendes Zugehörigkeitsgefühl. Es geht um Bestätigung und Erwartungen, um die Durchsetzung von Hierarchien auch. Vielleicht geht es zusätzlich noch um die Verwirklichung von Zielen, ganz nebenbei. Letztendlich steht dann die Loslösung von der liebgewonnenen Gruppe an und zu guter Letzt möglicherweise sogar eine abschließende Einsamkeitsbewältigung.

Das alles soll so auch auf Onlinegruppierungen zutreffen, so las ich weiter.  Die Ausprägungen sind virtuell im Einzelnen zwar ein wenig anders gelagert, grundsätzlich aber besteht kaum ein Unterschied. So zumindest stand es in dem Papier.

Zunächst hat mich das überrascht. Natürlich kenne ich den Begriff Beziehung in Zusammenhang mit Freundschaften und Familien usw.  Sogar langjährige Arbeitsgruppen entwickeln solche Strukturen, werden zu einer Art Familie. Das habe ich alles schon erlebt. Und die Dynamik in Communities und Foren ist mir in meinen frühen Onlinejahren mitunter schmerzhaft bewußt (gemacht) geworden. Aber trifft das auch auf anonyme Einzelkommentatoren zu, die sich zufällig auf irgendeinem Blog versammeln?

Möglich wäre es. Zumindest stelle ich immer wieder fest, daß es den Schreckgespenstern unter den Kommentatoren weniger um Meinungsaustausch geht, als vielmehr um simple Meinungsverkündung. Bestenfalls noch um die darauffolgende Bebauchpinselung. Darüber hinaus scheint es noch überaus wichtig zu sein, andere Platt zu machen, sie in die unterste Kategorie abzuschieben. Eine Hierarchiestruktur zu etablieren also. So läuft dann so manches Kommentargeschehen – im HSB beispielsweise – im Grunde die immergleichen Kreise, solange immer dieselben Kommentatoren zugange sind. Die Argumentationstränge ähneln sich und führen dennoch zu nichts, auch auf Dauer nicht. Eben weil sie gar nicht darauf aus sind, irgendein Ergebnis zu produzieren, sondern lediglich auf eine ständige Wiederholung angelegt. Wie das mit Gefühlen so ist, manchmal. Oder eigentlich so gut wie immer.

Auch Blogs, die nicht besonders kommentargeflutet sind, werden gelegentlich von solchen emotionalen Selbstläufern heimgesucht. In meinem kleinen Privat- und Schreibblog beispielsweise tummelt sich immer wieder mal ein solches Wesen. Mit verschiedenen Allerweltsnamen versehen, kennt es dennoch nur ein Thema. Es will mir meine versammelten Unzulänglichkeiten vor Augen halten, indem es mich auf meinen altmodischen Herd, meine unmögliche Wohngegend und sämtliche sonstige Blödheiten hinweist, die es an mir vermutet. Derer gibt es ohne Frage etliche. Und das Ganze ist auch durchaus nicht unelegant vorgetragen und vor allem mit einem unheimlichen Durchhaltevermögen durchgeführt. Das muß ich schon sagen. Ich lese das auch immer mit Interesse. Zum Beispiel ist erkennbar, daß dieses Wesen sich im Internet über mich informiert hat. Soweit das eben geht. Viel ist es nicht, was man dort in Erfahrung bringen kann. Vorwiegend Äußerlichkeiten und Eckdaten, die über mich als Mensch nicht allzuviel aussagen. Eigentlich weiß das doch jeder, denke ich immer. Aber mein persönliches Kommentarwesen bleibt eisern bei der Stange. Seit Jahren jetzt schon.

Natürlich antworte ich nicht auf diese Kommentare, schon lange nicht mehr.  Ich bin auch kein Niggemeier, daß ich mir nun die Mühe machen würde, das alles aufzulisten. Nicht einmal jetzt, hier, an dieser Stelle, wo ich ausnahmsweise einmal darüber schreibe. Das ist mir alles viel zuviel Aufwand. Ich erinnere  mich aber noch gut, wie das alles anfing, damals. Wie sehr es mich irritiert hat, ja, emotional gepackt, weil ich es zunächst doch ernst genommen hatte. Und persönlich. Das war keine gute Idee. Das kostet Kraft. Und ist sinnlos.

Heute lese ich das nur und vergesse es dann wieder. Besonders jetzt, wo ich spitz habe, das so etwas mitunter einfach nur eine mehr als simple emotionale Absicht verfolgt. Seitdem geht das schlicht an mir vorbei.

5 Gedanken zu „Kommentarpsychologie“

  1. Ich betreibe selbst drei Blogs und habe eigentlich die selbe Erfahrung gemacht wie du. Die Menschen nutzen die “Anonymität” im Internet und wollen einfach nur ihre Meinung verbreiten ohne ein Thema wirklich eingehend zu kommentieren werden meist nur Teile des Betirags herangezogen und kommentiert.

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  2. Ach ja. Scheint verbreiteter zu sein, als man denkt … Und ich hab mal wieder ein schlechtes Gewissen, weil ich nur so selten hier vorbeikomme. Dafür wünsch ich Dir ganz herzlich ein gutes Jahr 2011 :)

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